Am Dienstag, den 16. Oktober 2018, las vor ca.80 Gästen der in Berlin lebende Historiker, Politologe und Journalist Götz Aly im Stralsunder Rathaus aus seinem Buch „Europa gegen die Juden“. Seiner geistreichen und anregenden Darstellung zufolge war der Antisemitismus ein gesamteuropäisches Phänomen, das mit dem modernen Kapitalismus auftrat.
Im Grunde basiere der sprunghafte Anstieg des Antisemitismus und damit letztlich der Holocaust auf Neid angesichts des Erfolgs der Juden. Gekonnt reiht Götz Aly Quellen und Beobachtungen aneinander, die seine Sozialneid-These untermauern und die Ermordung und Vertreibung der Juden als ein einvernehmliches Vorgehen der Eliten mehrerer europäischer Staaten schildert. Bereits 2005 zeigte Aly mit seinem Buch „Hitlers Volksstaat“ den Nationalsozialismus als eine Diktatur, in der große Teile des deutschen Volkes von der Enteignung der Juden profitierten und sich damit tief in den folgenden Massenmord verstrickt haben. Seine vor dem Hintergrund zunehmend offenem Antisemitismus ausgesprochen beunruhigenden Ideen sind in ihrer Zuspitzung nicht unumstritten, aber unbedingt hörens- und bedenkenswert.
Die Lesung war der prominente Auftakt der Reihe „Stralsund erinnert – 80 Jahre Reichspogromnacht“. Die vom nationalsozialistischem Regime gelenkten Novemberpogrome von 1938 gelten als Übergang von Diskriminierung und Enteignung hin zur systematischen Verfolgung und Ermordung der Juden in Europa, dem Holocaust.
Veranstalter waren der S.Fischer Verlag und der Förderverein Historische Warenhäuser Wertheim und Tietz in Stralsund e. V., der im Mai 2011 als Initiative Stralsunder Bürgerinnen und Bürger gegründet wurde.
Mit Unterstützung der Kulturstiftung der Hansestadt Stralsund.